WordPress vs. TYPO3

Lassen sich die beiden Redaktionssysteme überhaupt vergleichen? Einige Entwickler werden jetzt vehement den Kopf schütteln. Und tatsächlich, bis vor wenigen Jahren war die gängige Meinung: WordPress eignet sich für einfache(re) Websites und Blogs. Geht es aber darum, komplexe oder besonders umfangreiche Websites zu realisieren, dann ist eine „Enterprise“-Lösung wie TYPO3 deutlich besser geeignet. Trifft das noch immer zu?

Jürgen Zöllner

Jürgen Zöllner 14. Januar 2021 ·

Schließlich ist der Marktanteil von WordPress binnen der letzten Jahre massiv gestiegen. Und das nicht ohne Grund. - Aber keine Sorge: Ziel dieses Artikels ist es nicht, für WordPress eine Lanze zu brechen und TYPO3 ad acta zu legen. Schließlich setzen auch wir für einige unserer Kundenwebsites nach wie vor das bewährte TYPO3 ein. Vielmehr geht es darum, zu prüfen, welches Redaktionssystem für welche Anforderungen besser (!) geeignet ist.

Budget für Layout und technisches Aufsetzen

Noch heute rümpfen viele Entwickler verächtlich die Nase, wenn sie von WordPress sprechen. Es sei Low-End und nur ein besseres „Blogger-System“. Dies ist in unseren Augen jedoch deutlich zu pauschal. Hier schwingt oft die Angst mit, Privilegien und damit überaus lukrative Einkommensquellen zu verlieren. Denn während in WordPress neue Layouts und Design-Elemente oft „on the fly“, also binnen weniger Stunden erstellt werden können, ist dies bei TYPO3 meist nur mit zahlreichen Entwicklerstunden und dem Einsatz von TYPOScript möglich. Selbiges gilt für das Anpassen von bestehenden Layouts.

Grundsätzlich lässt sich also festhalten: Der Aufwand für das grafische Entwickeln und technische Aufsetzen einer Website ist mit WordPress deutlich geringer. Zumal wenn man auf einen grafischen Page Builder wie Elementor setzt und (!) mit CSS (Cascading Style Sheets, verantwortlich für die Darstellung der Inhalte) sehr gut vertraut ist. Das spart reichlich Zeit und Budget. - Zumindest immer dann, wenn keine „exotischen“ oder übermäßig komplexen Funktionen vorgesehen sind. Dazu gleich mehr im nächsten Punkt.  

Besonders punktet WordPress, wenn Konzept, Design, Suchmaschinenoptimierung und technische Umsetzung aus einer Hand kommen. Voraussetzung ist natürlich, dass der Designer mit WordPress und CSS sehr gut sowie mit PHP in den Grundzügen vertraut ist. In diesem Fall können die meisten Layouts und Funktionen zumeist gänzlich ohne oder zumindest mit nur wenigen Entwicklerstunden auf die Straße gebracht werden. Dies allein spart zahlreiche Abstimmungsrunden sowohl mit den Entwicklern als auch mit dem Kunden. Denn der Kunde sieht von Anfang an bereits das reale Layout seiner Website in einer Testumgebung (Staging genannt) – das ist schon sehr smart!

Teilweise kann sogar auf das vorherige Entwerfen von Layouts in Photoshop verzichtet werden. Dies gilt vor allem dann, wenn sich Kunde und Designer bereits zum Projektstart weitgehend über das Layout einig sind und es vielleicht sogar schon eine Referenzwebsite gibt, an der sich der Designer orientieren soll. Gleichzeitig ist dies natürlich nicht für alle Projekte und Unterseiten bzw. Funktionen praktikabel. Gerade bei sehr komplexen Prozessen ist es nach wie vor vorteilhaft, das Layout zunächst in Photoshop zu gestalten und mit dem Kunden abzustimmen. Denn in Photoshop sind Anpassungen in der Regel weit schneller realisierbar.

Bei TYPO3-Projekten ist der Prozess hingegen deutlich umfangreicher. Hier wird die Website meist regelrecht am Reißbrett entworfen: Im ersten Schritt erarbeitet der Konzepter die Struktur der Website inklusive Informations- und Navigationsarchitektur. Anschließend entwirft der Designer in Photoshop für jeden Bereich der Website je ein Layout für die mobile Ansicht und für die Darstellung am Rechner. Dies ist natürlich gerade bei sehr komplexen Konzepten ein großer Vorteil, denn der Kunde kann schon während der Konzeptionsphase das tatsächliche Layout beurteilen. Schließlich sagt ein Bild bekanntermaßen mehr als 1.000 Worte.

Alle Seiten basieren meist auf Modulen, den sogenannten Content Elementen (CE). Sobald alle Layouts abgenommen wurden, werden die Content Elemente vom Designer um eine Beschreibung sämtlicher Funktionen ergänzt. Zudem kommentiert der Designer die Maße und Abstände aus. Die dadurch entstehende Blaupause ermöglicht es den Entwicklern das gesetzte Layout nahezu 1 zu 1 auf die Straße zu bringen.

Zur groben Orientierung: Eine ausgefeilte Website mit TYPO3 ist selten unter 50.000 € zu haben. Bei einer etwas anspruchsvolleren WordPress-Website ist man hingegen bereits ab 20.000 € dabei.

Funktionen

Als Faustregel gilt: Je komplexer die Funktion(en), desto schneller stößt man mit WordPress an seine Grenzen. Mit TYPO3 sind jedoch – immer ein entsprechendes Budget vorausgesetzt – nahezu alle Funktionen realisierbar. Es lohnt sich im Vorfeld genau zu eruieren, welche Funktionen unterstützt werden sollen. Denn uns sind durchaus Website-Projekte bekannt, die mit WordPress begonnen wurden. Mehr oder minder schnell kristallisierte sich jedoch heraus, dass damit doch nicht alle Funktionen wie gewünscht realisiert werden konnten. Und so war ein – erneut kostenintensiver – Wechsel zu TYPO3 nötig. Genau deshalb ist bei komplexen Website-Projekten ein Lasten- und Pflichtenheft so wichtig.

Das Handicap bei TYPO3 ist jedoch, dass es – zumindest im Vergleich zur WordPress – nur sehr wenig Erweiterungen (bei TYPO3 Extensions genannt) gibt. Deshalb erfordert es in der Regel eine Eigenentwicklung. Diese wiederum hat meist reichlich Entwicklerstunden zur Folge. Ganz anderes bei WordPress: Dort gibt es eine Fülle an Erweiterungen (Plugins genannt), die meist als Freemium-Version (kostenlose Basics mit kostenpflichtigen Premium-Funktionen) zu Verfügung stehen. Wichtig hierbei im Hinterkopf zu behalten: Ein Übermaß an Plugins macht Wordpress instabil und langsam wie eine Schnecke.

Mehrsprachigkeit

Hier punktet TYPO3. Multilinguale Websites lassen sich mit diesem Redaktionssystem sehr gut und vor allem sehr stabil aufsetzen. In WordPress ist dies nur mit Erweiterung (wie z.B. WMPL, TranslatePress oder MultilingualPress mit einer Multisite) möglich. Die Verwaltung mehrsprachiger Inhalte ist daher in WordPress nicht ganz so komfortabel. Hinzu kommt: Manche Erweiterungen können die Website deutlich verlangsamen! Perspektivisch ist jedoch durchaus denkbar, dass in WordPress die Mehrsprachigkeit sogar von Hause aus mitkommt (Experten würden sagen: bereits im Core angelegt ist).

Redaktion und Berechtigungen 

TYPO3 zeigt die Webpages in einem sehr übersichtlichen Seitenbaum. Ähnlich wie man das vom Explorer bei Microsoft und Finder bei Apple kennt.

In WordPress wird es hingegen ab rund 50 Webpages weit schwieriger, die Hierarchie der Website zu erkennen. Um dort eine Baumstruktur zu erhalten ist ein Plugin nötig, z.B. Nested Pages

Auch das Platzieren von Inhaltsblöcken als referenzierte Kopie ist bei TYPO3 überaus smart. Aber Hand aufs Herz: Wie oft ist das in der Praxis wirklich nötig?

Die Möglichkeiten, den Autoren nur bestimmte Rechte zu vergeben, ist exzellent und in seiner Granularität einzigartig. Hier ziehen wir bei jedem Website-Projekt erneut den Hut. Eine wirklich großartige Leistung des TYPO3-Entwicklerteams. Das kleine „Aber“: So faszinierend die Möglichkeiten der Rechtevergabe sind, so selten sind sie tatsächlich nötig. Nur wenn wirklich viele Redakteure mit unterschiedlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten beteiligt sind, können die Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

Zusammengefasst lässt sich konstatieren: Je mehr Redakteure (mit unterschiedlichen Kompetenzen, Aufgaben und Berechtigungen), desto stärker spricht dies für TYPO3. In der Praxis sind die - weit geringeren - Möglichkeiten zur Rechtevergaben von WordPress zumeist aber völlig ausreichend.

Stabilität

TYPO3 ist ein Garant für Stabilität. Eine sauber aufgesetzte Website läuft über viele Jahre sehr performant. Bugs sind selten. Was auch darauf zurückzuführen ist, dass kaum Erweiterungen (in TYPO3 Extensions genannnt) notwendig sind, da das System schon von Hause aus einige mächtige Fähigkeiten mitbringt.

Bei WordPress steht und fällt die Stabilität einer Website mit dem Aufsetzen. Bei den Erweiterungen (Plugins) gilt: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Denn jede Erweiterung macht die Website und das Redaktionssystem schwerfälliger und damit langsamer. Die Ladegeschwindigkeit von Websites ist jedoch ein wesentliches Qualitätskriterium für Google. Stichwort: SEO. Schließlich möchten Sie mit Ihrer Website in Google gut gefunden werden.

Marktanteil und Weiterentwicklung

Der Platzhirsch ist ganz klar WordPress. Sein weltweiter Marktanteil liegt bei beachtlichen 64 %, siehe das Ranking von Statista vom Dezember 2020. International betrachtet tritt TYPO3 hingegen kaum in Erscheinung. Der weltweite Marktanteil liegt unter 1 %. In Deutschland genießt TYPO3 hingegen weiterhin eine vergleichsweise hohe Popularität. Hier basieren rund 10 % aller Websites auf diesem Redaktionssystem.

Die Vorteile des hohen Marktanteils:

  • Eine regelmäßige Weiterentwicklung von WordPress und dem Shop-System WooCommerce ist gesichert.
  • Es existiert eine große WordPress-Community und damit einhergehend eine sehr breite Wissensbasis. Die Erfahrung zeigt: Es gibt kaum eine Frage - und sei sie noch so speziell -, die bisher (natürlich auf Englisch) noch nicht gestellt wurde. Dies hilft bei der Entwicklung und im Fixen von Bugs.

Die Kehrseite der Medaille: WordPress ist aufgrund seines dominanten Marktanteils natürlich der bevorzugte Angriffspunkt von Hackern. Zwar werden Sicherheitslücken erfahrungsgemäß überaus schnell geschlossen, dennoch bleibt es ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen der Entwickler-Community von WordPress und Hackern.

Online-Shop

Soll in die Website ein Online-Shop mit überschaubarer Produktpalette (weniger als 500 Artikel) integriert werden, spricht dies ganz klar für WordPress. Selbiges gilt für den Vertrieb von digitalen Angeboten, z.B. Gutscheinen. Denn mit WooCommerce steht ein überaus leistungsfähiges und dabei auch noch kostenloses Shop-System zur Verfügung. Es gilt hierbei: Je größer das Sortiment, desto mehr sollten Lösungen wie Shopware in Betracht gezogen werden. (Wobei es mittlerweile auch große Shops auf WooCommerce gibt, siehe beispielsweise den Plattenladen Soulbrother)

Der „Preis“ von reinen Shopsystemen wie Shopware: Damit lassen sich zwar tolle Shops, aber nur eingeschränkt inhaltlich und optisch starke Webpages realisieren. Selbst die von Shopware in der Version 6 eingeführten Erlebniswelten können WordPress bei den Gestaltungsmöglichkeiten bei weitem nicht das Wasser reichen.

TYPO3 ist hingegen mit gängigen Online-Shops nur mit großem Aufwand (und über einen Connector) kombinierbar. Und die Programmierung eines eigenen Shops in Kombination mit TYPO3 erfordert meist ein Budget im 6-stelligen Bereich. Kurzum: TYPO3 ist nur bei speziellen Shops und Buchungssystemen eine Option.

Mein Resümee


WordPress ist immer dann eine gute Wahl, wenn…

1 Sie eine Website mit integriertem Online-Shop wünschen.

2 Ihre finanziellen Mittel für die Website eher beschränkt sind (ab 20.000 € für eine anspruchsvollere Website, da Konzept, Design und Entwicklung aus einer Hand kommen können).

3 Sie Ihre Website mit einem grafischen Page Builder auch in Eigenregie weiterentwickeln wollen.

TYPO3 ist immer dann eine gute Wahl, wenn…

1 komplexe Funktionen nötig sind und einige Schnittstellen angebunden werden sollen.

2 viele Redakteure mit unterschiedlichen Berechtigungen an Ihrer Website arbeiten sollen.

3 Sie Ihre Website in mehreren Sprachen vorhalten wollen.


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