Gendern und die Typografie

Typografie ist die Kunst, einen Text so zu gestalten, dass er sich leicht konsumieren lässt. Das Ziel ist stets ein ungestörter Lesefluss. Schließlich ist jede Unterbrechung ein potentieller Show-Stopper.

Jürgen Zöllner

Jürgen Zöllner 27. Dezember 2021 ·

Als Designer werde ich bei Website-Projekten deshalb oft gefragt, ob, und falls ja, wie sich gute Typografie mit gendergerechter Sprache zusammenbringen lässt.

An Genderzeichen mangelt es wahrlich nicht: So gibt es Gendersternchen („Fahrer*innen“), Gender-Gap („Fahrer_innen“), Binnen-I („FahrerInnen“), Schrägstrich-Lösung (Fahrer/-innen) und Gender-Doppelpunkt („Fahrer:innen“). Alternativ dazu werden sprachliche Alternativen wie das substantivierte Adjektiv („Fahrende“) verwendet. Oder es werden sowohl die weiblichen als auch die männliche Bezeichnungen ausgeführt („Fahrerinnen und Fahrer“).

Gar nicht so leicht unter diesen Optionen die passende Lösung zu wählen. Zumal es weder in der Gesellschaft noch in den Medien eine einheitliche Herangehensweise gibt. Um dies zu verdeutlichen:

  • Die Grünen setzen auf das Gender-Sternchen, siehe z.B. deren Wahlprogramm.
  • Die DPA nutzt (noch) keine Genderzeichen, versucht aber „diskriminierungssensibel“ zu schreiben.
  • Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband empfiehlt aus Gründen der Barrierefreiheit Personenbezeichnungen grundsätzlich auszuformulieren. Denn Sonderzeichen führen regelmäßig zu Problemen, wenn Texte durch einen Screenreader vorgelesen werden.
  • Der renommierte Typograf und Verfasser des Standardwerks „Detailtypografie“ Friedrich Forssman lehnt jedwede Genderzeichen ab, da sie den Lesevorgang zu sehr behindern. Es sei „ein ideologischer Eingriff, der nicht mit Evidenz unterfüttert ist in seiner Wirksamkeit“. (Siehe dessen Interview mit dem Deutschlandfunk Kultur im Januar 2021)

Meine persönliche Meinung:
Unter den Gesichtspunkten der Nutzerfreundlichkeit und Ästhetik sind Genderzeichen hinderlich. Sie unterbrechen den natürlichen Lesefluss. Nicht umsonst werden Sie in kaum einem Roman Genderzeichen finden. Gleichzeitig kann ich jedoch durchaus nachvollziehen, dass viele Menschen das generische Maskulinum als unzeitgemäß und überholt betrachten. Deshalb bleibt es stets ein Spagat zwischen Lesefreundlichkeit und beabsichtigter Außenwirkung auf die Zielgruppe. Wenn Sie sich für ein Genderzeichen entscheiden, dann empfehle ich den Doppelpunkt. Denn er fügt sich noch am besten in den Fließtext ein.

Hinzu kommt bei einer Website noch der SEO-Aspekt: Die Mehrzahl der Menschen sucht nach wie vor mit einem generischen Maskulinum z.B. „Friseur Berlin“. Genderzeichen werden in der Regel von Google ignoriert. Aus „Friseur:in“ wird so für Google „Friseurin“. Google schlägt deshalb in diesem Fall sogar vor: „Meintest du: friseur berlin“.

Lesetipps:
Empfehlungen des Journalistinnenbund e.V.
www.genderleicht.de/genderzeichen/

Interview mit dem Typografen Friedrich Forssman
www.deutschlandfunkkultur.de/typograf-zum-genderstern-das-grenzt-an-eine-100.html

Wie deutsche Medien mit der Genderfrage umgehen
www.mdr.de/medien360g/medienwissen/wie-medien-gendern-100.html

Geschichte des Gendersternchens
de.wikipedia.org/wiki/Gendersternchen

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